Diese Geschichte begann vor ca. 4 Jahren.
Wie das halt so ist, muß man auch in der Arbeit ab und zu sein Geschäft verrichten. Als ich an jenem Tag im Klo kam, erlebte ich ein Überraschung der besonderer Art. Die Klobrille war zerbrochen. Noch nie in meinem Leben hatte ich eine zerbrochene Klobrille gesehen. Ja, wie kann denn sowas sein, dachte ich mir. Da hat wohl jemand rohe Gewalt walten lassen. Ich überlegte und am plausibelsten erschien mir die Erklärung, daß sich jemand mit außerordentlichem Gewicht mit etwas zuviel Schwung auf die Klobrille gesetzt hatte. Wir hatten damals ein Kollegen mit besonderen Maßen. Ich schätze, er wird schon seine 150 Kilo gehabt haben. Ok, dachte ich mir damit ist eine Erklärung gefunden.
Ich hakte das Thema ab, bis zu jenem Tag nach ca. einem halben Jahr als ich wieder von einer zerbrochenen Klobrille stand. Inzwischen hatte aber der schwergewichtige Kollege die Firma verlassen. Tja, sehr eigenartig, dachte ich mir! Was konnte das blos sein?
In einem Punkt war ich mir sicher, es konnte sich wieder nur um rohe Gewalt handeln. Es mußte eine andere Erklärung geben. Seit einigen Monaten hatten wir einen neuen Chef. Es gab einige Kollegen, die mit diesem Chef nicht so richtig konnten. Klar, einer von denen war es! Ich war mir sicher. Reine Wut oder einfach nur Protest mußte die Ursache sein.
Doch damit war Geschichte immer noch nicht zu Ende. Einige Monate später wieder das gleiche – eine zerbrochene Klobrille. Wieder Wut oder Protest? Tja, wer weiß. Inzwischen hatte sich die Wellen um den neuen Chef geglättet. Vielleicht noch ein ganz eiserner aber verschiegener Wiedersacher? Nur so konnte es sein oder?
Aber die Jahre vergingen und immer wieder aber gefühlt seltener gab es eine zerbrochene Klobrille. Inzwischen hatte ich die Cheftheorie verworfen. Es mußte irgendein durchgeknallter Typ sein, der darin irgendeine, vermutlich krankhafte, Befriedigung fand – ein Klobrillenfetischist.
So blieb es dann auch bis letzte Woche. Ich war wiedermal auf dem Klo und die Klobrille war ganz. Da saß ich bei meinem Geschäft und dachte über irgendein Problem nach, was mich schon über eine Stunde verfolgte. Ich rücke etwas auf der Klobrille hin und her. Und da passierte ES!
Nicht laut oder gefährlich sondern ganz dezent machte es KNACKS. Ich stand auf und sah fasziniert auf die Klobrille. Sie war ganz offensichtlich zerbrochen. Ohne Gewalt! Ohne Wut! Ohne irgendeine kranke Veranlagung! Sie hatte einfach so KNACKS gemacht. Ein simpler Materialfehler. Offenbar hatte irgendein Manager beschlossen besonders günstige Klobrillen einzukaufen.
Eigentlich ist die Geschichte fast belanglos, wenn da nicht die ganzen Theorien wären, die letztlich vollkommen falsch waren. Dieses Thema wird im Buch „Schnelles Denken Langsames Denken“ ausführlich behandelt. Wir neigen dazu, irgendwelchen Geschichten mehr zu glauben als einfachen logischen Schlüssen. Manche bezeichnen das auch als narrative Verzerrung.
Im Film Contact (nach dem Buch von Carl Sagan) spricht die Setiforscherin von Ockhams Gesetz (oder auf Ockhams Rasiermesser): „Ein elementares wissenschaftliches Prinzip. Die Aussage ist: Halten sich alle Faktoren die Waage, ist meist die einfachste Erklärung die plausibleste.“
Wie war das hier? Es gab folgende Theorien:
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Zu viele Kilos: Stark übergewichtiger Mensch setzt
sich auf die Klobrille, die zerbricht wegen zu starker Belastung
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reine Wut: Mensch zerbricht Klobrille aus Wut über
Vorgesetzten
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Fetischist: Kranker Typ mit Klobrillenfetisch
zerbricht immer mal wieder aus Spaß die Klobrille
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Materialfehler: Klobrille zerbricht beim Hochsetzen
durch Materialfehler
Das ist das eigentlich interessante an dieser Geschichte. Denn so verhalten wir uns in vielen anderen Situationen auch. Wir ersetzen fehlendes Wissen durch Geschichten und wenn die Geschichten erst einmal erfunden sind, ist unsere Suche nach Ursachen eines Problems beendet. Wir halten oft an dieser Geschichte fest, auch wenn sich die Idizien für eine andere Erklärung mehren.
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